Zugeschrieben Bartholomäus Strobel dem Jüngeren, zeigt dieses barocke Gemälde die berühmte biblische Episode aus dem Buch Daniel (Kapitel 5). König Belsazar von Babylon veranstaltet ein prunkvolles Gastmahl, schwelgt im Übermaß und benutzt dabei die heiligen Gefäße, die aus dem Tempel in Jerusalem geraubt wurden. Mitten im Fest erscheint plötzlich eine geheimnisvolle Inschrift an der Wand – „Mene, Mene, Tekel, Uparsin“. Diese göttliche Botschaft kündigt den unmittelbaren Sturz Belsazars und den Untergang des babylonischen Reiches in der Nacht durch die Perser an. Die Geschichte ist ein wiederkehrendes Motiv der Kunstgeschichte und dient als kraftvolle Allegorie für die Vergänglichkeit der Macht und das göttliche Gericht.
Im Gegensatz zu Rembrandts Das Gastmahl des Belsazar (National Gallery, London), das den Moment der vollen Erkenntnis und des Schreckens einfängt, zeigt Strobels Version eine frühere Phase der Erzählung. Die Gäste sind noch in Gespräche vertieft, ohne das volle Gewicht des übernatürlichen Geschehens zu erfassen. Ihre Gesichtsausdrücke deuten bereits eine wachsende Unruhe an, doch die Angst und das Chaos, die in Rembrandts Darstellung dominieren, haben hier noch nicht eingesetzt. Beide Maler waren in der Barockzeit tätig, einer Epoche, die für dramatische Kompositionen und emotionale Intensität bekannt ist. Während Rembrandt auf die explosive, unmittelbare Reaktion auf die göttliche Botschaft fokussiert, hält Strobel die Spannung länger aufrecht und ermöglicht es dem Betrachter, den allmählichen Übergang von Feier zu Furcht mitzuerleben.
Die Komposition nutzt meisterhaft das Hell-Dunkel (Chiaroscuro), ein zentrales Merkmal der Barockmalerei. Tiefe Kontraste zwischen Licht und Schatten steigern die Dramatik, das flackernde Kerzenlicht schafft eine intime Atmosphäre, beleuchtet die Gesichter der Figuren und lässt den Hintergrund in Dunkelheit zurücktreten. Warme, erdige Farbtöne verstärken die Opulenz der Szenerie, während reiche Stoffe, prächtiger Schmuck und ein üppiges Festmahl den materiellen Überfluss unterstreichen, der den Sturz des Königs vorwegnimmt.
Ein zentrales Element des Gemäldes ist das Wechselspiel zwischen Bewegung und Stillstand. Einige Figuren bleiben lebhaft im Gespräch vertieft, unbewusst gegenüber der göttlichen Präsenz, während andere zunehmend beunruhigt wirken, ihre Blicke sich verlagern, als spürten sie etwas Unsichtbares. Theatralische Gesten, dramatische Lichtführung und eine reich ausgestattete Szenerie schaffen eine Komposition, die zugleich dynamisch und immersiv wirkt und den Betrachter in die Erzählung hineinzieht.
Indem Strobel den Moment festhält, bevor die Angst vollends Besitz ergreift, bietet er eine einzigartige Perspektive auf die Geschichte – eine, die die Spannung stärker betont als die unmittelbare Offenbarung. Der Betrachter wird eingeladen, die aufsteigende Beklommenheit gemeinsam mit den Figuren zu erleben, was die barocke Faszination für Theatralik, Licht und die Unberechenbarkeit des Schicksals unterstreicht.